Stockholmer System

„Das Original“

Stockholmer System

Viele Straßenbäume in Stockholm stammen aus Pflanzungen des 19. Jahrhunderts, als Böden noch durchlässig waren und Wurzeln sich frei ausbreiten konnten. Mit der Zeit führten Straßenversiegelung, Rohrleitungen und verdichtete Schichten zu Schäden am Wurzelwerk, Luft- und Wassermangel sowie einem Rückgang der Baumgesundheit. Um diesem Problem zu begegnen, entwickelte Stockholm ein innovatives System, inspiriert von Skeletterden-Projekten aus Europa. Das Modell kombiniert tragfähigen Schotter mit Hohlräumen für Wurzeln, Belüftungsschichten und Oberflächenwasseraufnahme. Dabei werden lokale Materialien wie Pflanzenkohle aus Gartenabfällen und Kompost genutzt. Tests des VTI (2014) zeigen, dass diese Skeletterden sowohl das Baumwachstum fördern als auch Oberflächenabfluss regulieren und Straßenbelastungen standhalten können – ein wichtiger Beitrag für klimaangepasste Städte.

Häufige Probleme für Stadtbäume

In Städten sorgen versiegelte Flächen, Gebäude und Grünanlagen für erhebliche Unterschiede in den Umweltbedingungen von Bäumen. Oft sind Luft- und Bodenfeuchtigkeit niedrig, während Oberflächenabfluss ungenutzt in die Kanalisation abgeleitet wird. Dieser Abfluss könnte jedoch für die Bewässerung von Bäumen und Pflanzen genutzt werden, wodurch gleichzeitig das Entwässerungssystem entlastet würde.

Städtische Bedingungen stellen für Bäume eine Vielzahl von Herausforderungen dar: Unterschiedliche Wasserversorgung, Sauerstoffmangel durch verdichtete Böden und geringe Pflanzgrubenvolumen schränken das Wurzelwachstum ein. Überschüssiges Wasser bei schlechten Drainagesystemen und Bodenverdichtung durch Bauarbeiten oder Verkehr führen häufig zu physikalischen Schäden. Hinzu kommen Probleme wie Streusalzansammlungen und Schäden durch Kollisionen oder unsachgemäßen Baumschnitt.

Die Wurzelausbreitung von Stadtbäumen ist stark von den Standortbedingungen geprägt. Wurzeln suchen Sauerstoff und Wasser oft tief im Boden oder in lockeren Substraten, was zu Schäden an technischen Anlagen wie Abwasserkanälen führen kann. Zugleich werden bestehende Bäume durch Bauarbeiten oder Wartungen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt.

Eine durchdachte Stadtplanung, die Bäumen genügend Platz und geeignete Bedingungen bietet, ist essenziell, um die Vitalität von Stadtbäumen zu erhalten und ihre Ökosystemleistungen für urbane Räume zu sichern.

Bauweise 100 mm - 150 mm
Stockholmer Skeletterde

Diese Methode schafft in der Pflanzgrube Hohlräume, die einen effektiven Gasaustausch für Baumwurzeln ermöglichen und gleichzeitig eine stabile Struktur mit hoher Tragfähigkeit gewährleisten. Dadurch wird verhindert, dass die Pflanzgrube durch Verkehr oder andere Belastungen verdichtet wird. Die Tragfähigkeit der Stockholmer Skeletterde wurde vom schwedischen Forschungsinstitut für Straßen- und Verkehrswesen (VTI) getestet und als ausreichend stabil für den Einsatz unter Fahrbahnen und Parkplätzen bestätigt.

Pflanzenkohle-Skeleterde – Weiterentwicklung des Stockholmer Systems. Die Abbildung zeigt Bauweise mit Pflanzenkohle-Schotter (100/150 mm)
(Quelle: Stockholm Stad – Planting Beds in the City of Stockholm, 2017)

 
 
Aufbau und Material

Die Stockholmer Skeletterde besteht aus mehreren präzise abgestimmten Schichten: Schotter (90/150 mm): Diese groben Steine bilden die Grundstruktur und schaffen ausreichend Hohlräume. Pflanzsubstrat: In dünnen Schichten auf die verdichteten Schotter aufgebracht und mit Wasser in die Hohlräume eingeschlämmt. Das Substrat hat einen geringen Ton- und organischen Anteil, um optimale Eigenschaften zu gewährleisten. Pflanzenkohleschicht: Eine dünne Schicht ungedüngter Pflanzenkohle auf dem anstehenden Boden dient als Filter zur Reinigung des Oberflächenabflusses.

Zusätzliche Elemente

Unter befestigten Flächen werden Belüftungsbrunnen eingebaut, die gemeinsam mit einer Belüftungsschicht aus Schotter (32/63 mm) Luft und Wasser zu den Wurzeln leiten. Zum Schutz wird darüber eine Ausgleichsschicht aus Schotter (8/11 mm) sowie ein Geotextil aufgebracht. Letzteres verhindert das Eindringen von Feinanteilen in die darunter liegende Pflanzgrube und bewahrt die Funktionalität der Hohlräume.

Bauausführung des Stockholmer Systems – Einbau der Baumgruben, Belüftungs- und Entwässerungselemente.
(Quelle: Vortrag Björn Embrén, Black2GoGreen Conference 2024)

Bauweise 36 mm - 63 mm (90mm)
Pflanzenkohle-Schotter

Pflanzgruben mit Pflanzenkohle-Schotter werden derzeit in Stockholm entwickelt. Versuche zeigen ein sehr gutes Wachstum der Bäume in diesen Pflanzgruben. Im Vergleich zur Stockholmer Skeletterde ist der Bauprozess einfacher und schneller. Die 90/150 mm großen Schroppen mit Pflanzsubstrat werden durch Pflanzenkohle-Schotter ersetzt, der aus Schroppen 32/90 mm mit 15-25 Volumenprozent nährstoffangereicherte Pflanzenkohle und Kompost (50/50) besteht.

Pflanzenkohle-Schotter – Weiterentwicklung des Stockholmer Systems. Die Abbildung zeigt Bauweise mit Pflanzenkohle-Schotter (32/64  bzw. 90 mm)
(Quelle: Stockholm Stad – Planting Beds in the City of Stockholm, 2017)

 
 
Pflanzloch-Einfassungen und weiteres Zubehör

Pflanzloch-Einfassungen können vorgefertigt sein oder unter Verwendung von Granitbordsteinen oder Betonleisten als Rahmen um den Wurzelballen des Baumes gebaut werden. Die Pflanzloch-Einfassung gibt dem Wurzelballen bei der Pflanzung Platz, außerdem stabilisiert und trennt sie den Oberbau und dessen Feinanteile von der Pflanzgrube. Die Pflanzloch- Einfassung wird mit Pflanzsubstrat gefüllt und kann mit einem Baumrost oder Splitt abgedeckt werden. Baumroste müssen aus dauerhaftem Material bestehen wie Sphäroguss oder Cortenstahl. Die Art der Einfassung und das weitere Zubehör (Baumroste und Baumschutz) wird auf der Grundlage der Projektbedingungen ausgewählt. Sonderlösungen, bei denen mehrere Abschnitte zu größeren Kästen zusammengebaut werden, müssen so konzipiert sein werden, dass sie der Verkehrsbelastung standhalten. Es ist wichtig, dass die Oberkante der Pflanzloch-Einfassung hoch genug ist, um den Schotter und die Feinanteile von der Pflanzgrube zu trennen, während gleichzeitig die Wurzeln der Bäume die umliegende Pflanzgrube erreichen können müssen. Die Pflanzloch-Einfassung wird auf den Schroppen eingeebnet, und die nachfolgenden Schotterschichten dürfen in die Öffnungen der Einfassung fallen, um spätere Absetzungen desselben zu verhindern.

Belüftungsbrunnen und Pufferstreifen

Pflanzloch-Einfassungen können vorgefertigt sein oder unter Verwendung von Granitbordsteinen oder Betonleisten als Rahmen um den Wurzelballen des Baumes gebaut werden. Die Pflanzloch-Einfassung gibt dem Wurzelballen bei der Pflanzung Platz, außerdem stabilisiert und trennt sie den Oberbau und dessen Feinanteile von der Pflanzgrube. Die Pflanzloch- Einfassung wird mit Pflanzsubstrat gefüllt und kann mit einem Baumrost oder Splitt abgedeckt werden. Baumroste müssen aus dauerhaftem Material bestehen wie Sphäroguss oder Cortenstahl. Die Art der Einfassung und das weitere Zubehör (Baumroste und Baumschutz) wird auf der Grundlage der Projektbedingungen ausgewählt. Sonderlösungen, bei denen mehrere Abschnitte zu größeren Kästen zusammengebaut werden, müssen so konzipiert sein werden, dass sie der Verkehrsbelastung standhalten. Es ist wichtig, dass die Oberkante der Pflanzloch-Einfassung hoch genug ist, um den Schotter und die Feinanteile von der Pflanzgrube zu trennen, während gleichzeitig die Wurzeln der Bäume die umliegende Pflanzgrube erreichen können müssen. Die Pflanzloch-Einfassung wird auf den Schroppen eingeebnet, und die nachfolgenden Schotterschichten dürfen in die Öffnungen der Einfassung fallen, um spätere Absetzungen desselben zu verhindern.

Bauteile des Stockholmer Systems – Pflanzloch-Einfassungen und Entwässerungselemente für Baumstandorte.
(Quelle: Vortrag Björn Embrén, Black2GoGreen Conference 2024)

Stockholm – Vom Baumsubstrat zur Biochar-Stadt

Stockholm hat sich als eine der ersten Städte weltweit das Ziel gesetzt, bis 2040 fossilfrei und bis 2045 klimaneutral zu werden. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war die Entwicklung des Stockholm Biochar Project – einer Initiative, die Grünabfälle in Pflanzenkohle (Biochar) umwandelt und dadurch Kohlenstoff dauerhaft im Boden bindet. Die Stadt gewann mit dieser Idee 2014 den europäischen Bloomberg Philanthropies Mayors Challenge Award, der Städte mit innovativen und replizierbaren Klimaprojekten auszeichnet. Das Besondere an dem Projekt: Es verbindet technische Innovation mit Bürgerbeteiligung. Stadtbewohner:innen bringen ihre Gartenabfälle zu städtischen Sammelstellen, wo diese zerkleinert, pyrolysiert und zu Pflanzenkohle verarbeitet werden. Das Ergebnis ist ein geschlossener Kreislauf, in dem CO₂ gespeichert, Energie gewonnen und Boden verbessert wird. 

(Quelle: Bloomberg Philanthropies, Replicating in Stockholm – Lessons from the Stockholm Biochar Project, 2017)

 

 

Funktionsprinzip: Vom Pflanzenabfall zur Energie und Kohlenstoffsenke

Das Herzstück des Projekts ist eine urbane Pyrolyseanlage, die 2017 im Stadtteil Värtan in Betrieb genommen wurde. Hier wird städtisches Pflanzenmaterial – Schnittgut, Äste, Laub – unter Sauerstoffausschluss erhitzt. Dabei entstehen zwei Produkte:

1. Wärmeenergie, die direkt in das städtische Fernwärmenetz eingespeist wird,
2. Pflanzenkohle, die als Zuschlagstoff in den Baumsubstraten der Stadt verwendet wird.

Die Bilanz ist beeindruckend – Das System speichert jährlich rund 2.500 Tonnen CO₂-Äquivalente – das entspricht den Emissionen von etwa 3.500 Autos – und produziert genug Wärme, um 400 Wohnungen im Winter zu beheizen. Die Investitionskosten von rund 11 Millionen US-Dollar amortisieren sich laut Stadt innerhalb von acht Jahren.
(Quelle: Replicating in Stockholm, S. 2–3)

Der Biochar-Kreislauf in Stockholm – Vom Pflanzenabfall zur Energie und zurück in den Boden.
(Quelle: Bloomberg Philanthropies, Replicating in Stockholm – Lessons from the Stockholm Biochar Project, 2017)

Der Biochar-Kreislauf im Stadtsystem

Der Biochar-Kreislauf Stockholms funktioniert in fünf klar definierten Schritten:

  1. Sammlung – Bürger:innen und städtische Gärtner liefern Pflanzenabfälle bei Sammelstellen ab.

  2. Pyrolyse – Das Material wird karbonisiert; dabei entstehen Biochar und Wärme.

  3. Energieeinspeisung – Die Wärme wird in das bestehende Fernwärmenetz von Stockholm Exergi eingespeist.

  4. Verwendung – Biochar wird an Stadtgärtner, Bürger und die Verkehrsverwaltung (Stockholms Trafikkontoret) verteilt.

  5. Rückführung – Die Pflanzenkohle gelangt in Baumgruben, Parks und Gärten zurück in den Boden, wo sie Wasser speichert, Nährstoffe bindet und Kohlenstoff dauerhaft fixiert.

Das System hat keinen zusätzlichen Kohlenstoff- oder Finanzaufwand in der Verteilungsphase – es nutzt bestehende Infrastrukturen der Abfallwirtschaft und Wärmeversorgung optimal aus. (Quelle: Replicating in Stockholm, S. 2–3) Der Erfolg des Projekts basiert auf der engen Zusammenarbeit mehrerer städtischer Abteilungen und engagierter Personen:
-Mattias Gustafsson, Projektleiter (Stockholm Vatten och Avfall)
-Björn Embrén, Stadtbaum-Experte (Stockholm Traffic Office)
-Jonas Dahlöff, Energie- und Abfallmanagement (SVOA)
-Kåre Gustafsson, Energieversorgung (Stockholm Exergi)
-Katarina Luhr, Vizebürgermeisterin für Umweltfragen

Diese interdisziplinäre Struktur verband Stadtplanung, Abfallwirtschaft, Energietechnik und Landschaftspflege in einem gemeinsamen Ziel –  aus Reststoffen Ressource machen.

Team des Stockholm Biochar Project an der ersten städtischen Pyrolyseanlage in Värtan (2017).
(Quelle: Replicating in Stockholm – Lessons from the Stockholm Biochar Project, Bloomberg Philanthropies, 2017)

Diese interdisziplinäre Struktur verband Stadtplanung, Abfallwirtschaft, Energietechnik und Landschaftspflege in einem gemeinsamen Ziel –  aus Reststoffen Ressource machen. Die erzeugte Pflanzenkohle wird als fester Bestandteil in das bekannte Stockholmer Baumsubstrat integriert – ein Gemisch aus grobem Schotter (32–63 mm), Kompost und Biochar. Dieses Substrat bietet hohe Tragfähigkeit, Belüftung und Wasserhaltevermögen – ideal für Straßenbäume, die sowohl Trockenheit als auch Überflutung überstehen müssen. Die Ergebnisse zeigen deutlich bessere Vitalität und Wurzelentwicklung bei Stadtbäumen, weniger Bewässerungsbedarf durch höhere Wasserspeicherung, und dauerhafte CO₂-Bindung durch den stabilen Kohlenstoffanteil in der Pflanzenkohle. Die Pflanzenkohle wird in Projekten wie Norra Djurgårdsstaden, Södra Järnvägsgatan und Nacka eingesetzt – als Teil eines integrativen Ansatzes zur Klimaanpassung im öffentlichen Raum.

Bürgerbeteiligung und Bewusstseinsbildung

Ein wichtiger Aspekt des Biochar-Projekts ist die Einbindung der Öffentlichkeit.
Bürger:innen, die ihren Gartenabfall abgeben, erhalten kostenlos kleine Mengen Biochar zurück, um sie in eigenen Gärten oder Hochbeeten zu verwenden.
Darüber hinaus organisiert die Stadt Workshops, Führungen und Ausstellungen (u. a. in Zusammenarbeit mit Museen), um das Prinzip der Kohlenstoffspeicherung verständlich zu machen. Dadurch ist das Projekt nicht nur technisches Klimamanagement, sondern auch soziale Innovation – eine Einladung an die Bürger:innen, aktiv Teil der Klimawende zu werden. (Quelle: Replicating in Stockholm, S. 10–12)

 

Wirkung und internationale Relevanz

Das Projekt wurde durch Bloomberg Philanthropies als Beispiel für städtische Innovation weltweit verbreitet. Es diente als Vorbild für Städte wie Oslo, San Francisco und Vancouver, die eigene Biochar-Projekte nach dem Stockholmer Modell starten. Heute gilt Stockholm als erste Stadt Europas, die Biochar systematisch in ihr Stadtgrünkonzept integriert hat – ein Meilenstein auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt.

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